Wie du richtig zuhörst und weise wir(k)st

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Zuhören klingt leicht, dabei ist es für viele Menschen schwer. Manchmal beobachte ich Menschen dabei, wie sie einander nicht zuhören. Sie lassen sich zwar ausreden, aber zittern schon vor Aufregung, weil sie endlich selbst etwas erzählen wollen. Mal finde ich das lustig, mal traurig. Es kommt darauf an, in welcher Beziehung ich zu ihnen stehe.

Richtig zuzuhören ist schwer, denn jeder Mensch ist der Hauptdarsteller in seinem eigenen Film. Alle anderen spielen Nebenrollen oder sind Statisten. Klar, dass der Hauptdarsteller dem Statisten nicht viel Aufmerksamkeit schenkt. Nur er selbst prägt die eigentliche Story.

Es bedarf einiger Reflexion, um dieses Naturgesetz im Zusammensein mit anderen Menschen zu erkennen. Einigen gelingt das besser, anderen schlechter. Introvertierte Menschen sind hier im Vorteil, denn sie sind von Natur aus reflektierter, ziehen sich gern in ihre Gedankenwelt zurück und reden weniger als andere. Fragt man sie etwas, denken sie nach bevor sie antworten. Das macht sie zu gefragten Gesprächspartnern, jedenfalls wenn es um echtes Zuhören geht. Ich weiß nicht, ob jeder Mensch ein guter Zuhörer werden kann. Vielleicht wirken etablierte Persönlichkeitsmerkmale zu stark. Aber vermutlich kann jeder ein besserer Zuhörer werden.

Warum es sich lohnt besser zuzuhören

Wenn mir jemand die Hauptrolle in meinem Film nicht zugesteht, wie kann ich diesem Menschen jemals nahe sein? Ohne Zuhören entstehen keine tiefen Beziehungen. Das hat übrigens nichts mit Quantität zu tun. Ich kann mich mit jemandem wohlfühlen, obwohl mein Redeanteil bei nur 30 Prozent liegt. Doch während dieser 30 Prozent muss der Mensch ganz bei mir sein. Sobald ich merke, dass mir jemand nicht zuhört, verstumme ich innerhalb weniger Sekunden. Je häufiger das mit jemandem passiert, desto seltener suche ich das Gespräch und desto schneller verläuft die Beziehung im Sande.

Auf der anderen Seite habe ich oft erlebt, dass Menschen mich mögen, obwohl ich zu einem Gespräch wenig (aktiv) beitrage. Sie Hauptdarsteller sein zu lassen genügt manchmal schon, um gemocht zu werden. Ich würde sogar sagen, dass mich manche Menschen in solchen Situationen als weise empfinden und das nur, weil ich mit einer überlegten Antwort auf sie eingehe. Die gleiche Eigenschaft kann in anderen Situationen allerdings nachteilig sein. Meiner Erfahrung nach wird Zuhören im Zweiergespräch honoriert, in der Gruppe allerdings nicht. Ideal wäre, situationsbedingt umschalten zu können.

Zuhören hat darüber hinaus den Vorteil, dass man nicht nur weise wirkt, sondern weiser wird. Beim Zuhören lerne ich schließlich etwas, das ich noch nicht wusste. Häufig schnappe ich eine Information auf, die noch lange in mir gärt, bis ich sie zu einer neuen Idee oder einem Artikel verarbeite. Beim Reden hingegen lerne ich nichts Neues, sondern wärme nur etwas auf, das mir längst bekannt ist.

So hörst du richtig zu

Da Zuhören eine meiner gut ausgeprägten Fähigkeiten ist, versuche ich aus meiner Sicht wiederzugeben, was einen guten Zuhörer ausmacht:

  • Gib dem anderen das Gefühl, der Hauptdarsteller zu sein – wenigstens für die Dauer des Gesprächs. Lass dich nicht durch dein Smartphone oder andere Umstände ablenken.
  • Zeige deinem Gesprächspartner, dass du zuhörst, indem du ihm in die Augen schaust und manchmal nickst. Übertreibe es aber nicht mit ungeduldigem Dauernicken und zustimmenden Geräuschen.
  • Höre auch das, was nicht gesagt wird. Beobachte die Stimme, Mimik und Gestik deines Gesprächspartners. Sind diese besonders auffällig, kannst du ihn auch darauf ansprechen („Ich sehe, wie sehr dich das aufregt …“).
  • Wenn du dich dabei erwischst, wie du in Gedanken bereits eine Antwort formulierst während der andere noch spricht, machst du etwas falsch. Du kannst nicht gleichzeitig zuhören und nachdenken. Verabschiede dich von deiner Antwort, dann wirst du automatisch ruhiger. Wenn dein Gesprächspartner fertig ist, kannst du eine neue Antwort formulieren. Dann hast du schon mehr Informationen.
  • Vervollständige nicht die Sätze des anderen. Es sind seine Gedanken. Bilde dir nicht ein, sie zu kennen.
  • Wenn der andere fertig ist, warte noch einen Moment mit deiner Antwort. Atme mindestens einmal ein und aus. Vielleicht kommt noch etwas. Außerdem signalisiert die Pause, dass du dir Gedanken machst.
  • Schlechte Zuhörer wechseln an dieser Stelle das Thema. Keine gute Idee! Stelle stattdessen weiterführende Fragen, die dein Interesse signalisieren.
  • Lass deine Vorurteile fallen. Wenn du unsicher bist, wie du etwas deuten sollst, wiederhole das Gesagte so wie du es verstanden hast („Habe ich dich richtig verstanden, dass …?“).
  • Akzeptiere, dass du nicht immer recht haben musst. Anstatt zu widersprechen, nimm einmal an, dass dein Gegenüber genauso gut recht haben könnte und überlege dir, wie er zu seiner Erkenntnis gekommen sein könnte (oder frage nach).
  • Selbst wenn du die Perspektive deines Gegenübers nicht nachvollziehen kannst, akzeptiere, dass Menschen nicht rational sind. Entscheidend ist, wie der andere etwas empfindet. Fühlt er sich in einer Situation schlecht, solltest du seine Gefühle nicht bewerten, sondern überlegen, ob du helfen kannst.

In einer perfekten Welt würden wir alle gut zuhören. Aber die Welt ist nicht perfekt und auch ich höre nicht immer gut zu. Wenn mich jemand langweilt, kann ich mich nur unter größter Anstrengung zusammenreißen. Entscheidend finde ich jedoch, wie wir mit den Menschen umgehen, die uns wichtig sind und die wir interessant finden. Wenn wir ihnen richtig zuhören, können wir ihr Leben und auch unser eigenes ein Stück besser machen.

Hier findest du drei weitere Ansätze, wie du zu einem beliebten Gesprächspartner wirst.

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