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Dies ist ein Gastbeitrag von Kai Porten.
„Was ich heute kann besorgen, verschiebe ich lieber auf morgen.“ Oder wie war das gleich? In diesem Artikel verrate ich dir eine Strategie gegen Aufschieberei: Je seltener du dir selbst die Entscheidung zwischen richtig und falsch überlässt, desto besser!
Du hast dir vorgenommen disziplinierter zu arbeiten oder regelmäßig zum Training zu gehen. Du bist motiviert und musst nur noch durchhalten – doch hier gehen die Probleme erst los. Es gibt zu viele Versuchungen: Fernsehen, Online-Shopping, YouTube oder Schlagzeilen – alles ist bequemer als zum Sport zu gehen oder dich der Arbeit zu widmen.
Sind wir dem inneren Schweinehund schutzlos ausgeliefert?
Ein Experiment zur Prokrastination
Um das herauszufinden, führten der Verhaltensforscher Dan Ariely und einige Kollegen am MIT ein Experiment durch (nachzulesen in „Happiness Advantage“ von Dan Ariely). Es gab drei Fragestellungen:
(a) Wissen Menschen, dass sie aufschieben?
(b) Falls ja, wie gehen sie damit um?
(c) Welches ist das beste Mittel gegen Aufschieben?
Die Forscher ließen drei Gruppen im Laufe des Semesters jeweils drei Hausarbeiten anfertigen. Sie hatten unterschiedliche Abgabefristen:
Gruppe 1: Die Selbstplaner
Gruppe 1 musste selbst zu Beginn des Semesters drei verbindliche Deadlines zur Abgabe der drei Hausarbeiten festlegen. Sie konnten alle drei Hausarbeiten an einem Tag einreichen oder an verschiedenen Tagen. Die Termine konnten beliebig über das Semester verteilt werden. Nach Verstreichen der selbstgesetzten Fristen gab es pro überfälligem Tag je einen Prozent Abzug von der Note. Eine vorzeitige Abgabe brachte keine Vorteile.
Gruppe 2: Deadline = letzter Tag
Gruppe 2 hatte nur eine Bedingung: sie musste die drei Arbeiten spätestens am letzten Tag des Semesters abgeben. Bis dahin gab es keine Zwischen-Deadlines.
Gruppe 3: drei externe Deadlines
Gruppe 3 erhielt von den Professoren drei vorgegebene Deadlines: die erste Arbeit musste nach vier Wochen, die zweite nach acht Wochen, die dritte nach zwölf Wochen abgegeben werden.
Ergebnis: Gruppe 3 schnitt am besten ab. Ihre Abgabefristen hatten die Professoren von außen festgesetzt. Den zweiten Platz belegte die Klasse, die ihre Deadlines selbständig festsetzen musste. Am schlechtesten schnitt die Klasse ohne jegliche Zwischen-Deadlines ab.
Warum zu viel Freizeit deiner Produktivität schadet
Aus der Studie leiten sich verschiedene Erkenntnisse über unser Aufschiebeverhalten ab. Das Ergebnis auf Platz 3 zeigt: Liegt die Frist außer Sichtweite, rückt in den Vordergrund, worauf wir gerade Bock haben. Diesen Punkt kenne ich von mir selber: ohne Deadline in Sicht widme ich mich weniger meiner Arbeit und mehr den Dingen, auf die ich Lust habe. Das ist normal: Warum arbeiten, wenn keine Arbeit ansteht? Dennoch hat es schon öfter dafür gesorgt, dass ich mich zu spät auf eine Klausur vorbereitet habe.
Auch in der Studie erhielt die Gruppe ohne Zwischen-Deadlines schlechte Noten, weil sie zu spät mit der Arbeit anfing.
Die meisten Menschen sind sich ihrer Faulheit bewusst
In einer Welt ohne Prokrastination wäre es für Gruppe 1, die Selbstplaner, am effizientesten gewesen, sich alle Fristen auf den letzten Tag zu legen. So hätten sie die größte Zeitspanne für jede der drei Arbeiten zur Verfügung gehabt. In dem Versuch gab es jedoch kein erkennbares Muster in den Planungen der Studenten. Anstatt z. B. die Deadlines alle vier Wochen oder auf ein Datum am Semesterende zu setzen, planten sie die Abgabetermine querbeet über das Semester verteilt.
Die Forscher schlossen daraus, dass die Studenten um ihre Aufschieberei wussten, wenn die Deadline weit entfernt liegt. Deshalb planten manche ihre Fristen so, dass ein gewisser Zeitdruck herrschte. Allerdings hatte jeder Student unterschiedlich viel Selbstkontrolle, weshalb viele trotzdem prokrastinierten. Daher belegten die Selbstplaner nicht den ersten Platz. Selbstkontrolle alleine reicht nicht aus.
Externe Kontrolle schlägt Selbstkontrolle
Ein sicheres Mittel gegen Faulheit und Aufschieben ist ein von außen gesetzter Rahmen. Er nimmt uns die Selbstkontrolle ab.
Gruppe 3 mit den vom Professor festgelegten Abgabefristen hatte solch einen Rahmen. Es herrschte der gleiche Zeitdruck für alle. Somit zwang die Frist selbst Studenten mit wenig Selbstkontrolle zur Produktivität. Es war die beste Gruppe.
Das Wissen, dass du prokrastinierst, ist die halbe Miete gegen Aufschieberei – bei richtiger Planung auch die ganze.
Die größte Chance liegt darin, die Situation so zu schmieden, dass du zu den richtigen Dingen gezwungen wirst. Dazu möchte ich zwei Beispiele und jeweils einige Tipps vorstellen:
Beispiel 1
Du möchtest konzentriert arbeiten, erwischst dich aber immer wieder dabei, wie du im Internet surfst.
- Schalte alles aus bzw. schließe die Tabs, die dich ablenken und aus dem Denkfluss reißen könnten. Hebe dir diese Sachen für Pausen und für den Feierabend auf. Das Handy kann im Flugzeugmodus oder ausgeschaltet in der Tasche warten.
- Lege Arbeitsintervalle von einer halben oder einer Dreiviertelstunde ein. Dies ist unsere maximale Konzentrationsspanne. Lege lieber häufiger Pausen ein, statt einen wässrigen Arbeits-Freizeit-Mix zu zelebrieren.
- Es gibt Browser-Tools, wie z. B. The Great Suspender und Mindful Browsing, die Zeitverschwendung im Internet begrenzen bzw. verhindern. Du legst fest, wie viel Zeit pro Tag du dir auf bestimmen Websites erlaubst, welche Seiten nicht geladen werden sollen und wie schnell ein Tab eingefroren wird, sodass du nicht schnell zwischen den Internetseiten hin und her springst.
- Falls dich diese Tools nicht abhalten und du aber deine Arbeit auch offline erledigen kannst, schalte deinen Rooter aus bzw. ziehe dein LAN-Kabel raus.
Beispiel 2
Du willst zum Training gehen, findest aber kurz vorher immer wieder Ausreden, um den Sport auf den nächsten Tag aufzuschieben.
- Verabrede dich mit einem Trainingspartner. So wirst du ein schlechtes Gewissen haben, wenn du absagst.
- Versprich einer anderen Person, dass du zum Training gehst. Sie soll dich am nächsten Tag fragen, ob du dein Versprechen eingehalten hast.
- Versprich deinem Trainingspartner oder einer anderen Person einen Betrag X zu zahlen, wenn du nicht gehst.
- Melde dich zu Wettkämpfen (einem Stadtlauf o. ä.) an.
Welche Erfahrungen hast du mit Prokrastination? Welche Strategien setzt du ein? Hast du noch mehr Tipps gegen Aufschieben?
Schreib doch einen Kommentar und besuche meinen YouTube-Channel.
Hallo Kai,
gerade bei unangenehmen Dingen schiebe ich auch gerne auf. Eine Methode, die sich für mich bewährt hat ist, bspw. Hausarbeit direkt nach der Arbeit zu erledigen, um mich dann später auf den gemütlichen Teil z.B. auf der Couch mit meiner Lieblingsserie zu freuen. Manche Dinge wie Bügeln lassen sich mit Serie schauen kombinieren, sodass es mir hier nicht so schwer fällt. Bei besonders lange aufgeschobenen Tätigkeiten lege ich eine Belohnung, die mir wirklich was bedeutet, fest, wenn ich diese Sache endlich hinter mich gebracht habe. Hat in der Vergangenheit ganz gut funktioniert.
Viele Grüße, Silke
Hey Silke!
Danke für diese tolle Ergänzung :) Dein Post hat mich sofort an die sogenannte REFA-Normkurve (http://bit.ly/1zZ9g9p) erinnert. Die zeigt nämlich, wie unsere Leistungsfähigkeit über den Tag hinweg schwankt. Leistungshöhen und -tiefen wechseln sich bei uns im etwa vierstündigen Zyklus ab und im Laufe des Tages sinkt unsere Gesamtleistung. Das heißt: Unangenehme Arbeit lieber früh erledigen oder an unseren Leistungshöhepunkten. Ich persönlich habe selten die Durchsetzungskraft gegen meinen Schweinehund, wenn ich es in „Momenten der Schwäche“ probiere ;) Unangenehme Dinge direkt zu machen, ist also ein total sinnvoller Schritt.
Liebe Grüße
Kai
Schöner Artikel!
Ich persönlich prokrastiniere meistens während der Arbeit am Computer und zwar immer dann, wenn ich bei meiner Aufgabe für einen Augenblick ins Stocken gerate. Ich erklären mir das so: Solange ich konzentriert bin, besteht keine Gefahr. Sobald ich bei meiner Aufgabe aber nicht weiter komme, schaltet sich meine Konzentration kurz ab, was zur Folge hat, dass Gewohnheiten ausgelöst werden. Die meisten erfolgreichen Onlinedienste (Facebook etc.) sind ja so gestaltet, dass die Nutzung mit der Zeit immer mehr zur Gewohnheit (bzw. Sucht) wird. Ich ertappe mich oft, wie ich in unaufmerksamen Momenten automatische irgendwelche Seiten im Internet ansurfe. Ich vermute, dass es wenig mit echtem Interesse, als vielmehr mit der Gewohnheit zu tun hat.
Hey Jan!
Kann ich auf jeden Fall so bestätigen. Das Internet ist in der heutigen Zeit total darauf ausgelegt, dich so lange wie möglich in seinem Sog zu halten. Ist ja auch klar, denn online werden Werbeanzeigen nach Klicks bezahlt, was automatisch dafür sorgt, dass alle nur deine Aufmerksamkeit wollen.
Wenn du in unkonzentrierten Momenten schwach wirst, mach‘ doch einfach mehr Pausen. Mehrere Stunden durcharbeiten bringt mir persönlich auch nichts. Ich mache immer so eine halbe bis dreiviertel Stunde und danach eine Pause, denn nach diesem Intervall werde ich unkonzentriert.
Viele Grüße
Kai
Hey Kai,
guter Artikel !
Was mir zu deinem zweiten Beispiel noch als Ergänzung einfällt:
In solchen Situationen hilft es oft, wenn man sich das Handeln so einfach wie möglich macht.
Also z.B. schon am Vortag die Sporttasche gepackt haben, sodass man sie nur noch nehmen und losgehen muss.
Denn oft ist das Schwierigste, überhaupt erstmal anzufangen. Wenn der Stein einmal rollt, hat man schon viel geschafft und der Rest geht deutlich leichter.
Deshalb sollte man sich solche Bedingungen schaffen, die dem ersten kleinen Schritt sowenig Überwindung und Energieaufwand wie möglich abverlangen.
Liebe Grüße
Jason
Hey Jason!
Mache ich auch öfters so, vor Allem wenn es darum geht, nicht ungesund zu essen, wenn ich unterwegs bin. Nehme mir regelmäßig Vorgekochtes und rohes Gemüse mit auf die Arbeit. So komme ich nicht in Versuchung, auf Schokoriegel zurückzugreifen.
Alles eine Frage der Planung ;)
Cheers!
Kai
Hallo Kai,
schöner Beitrag!
Mir ist diesem Zusammenhang etwas eingefallen, das ich kürzlich gelesen habe: Prokrastinieren kann produktiver machen, wenn wir unser Gehirn eben nicht mit noch mehr Informationen beladen, sondern unseren Gedanken einfach mal freien Lauf lassen. Deshalb finde ich Youtube und Social Media in der Pause eher ungünstig. Prokrastinieren möchte nämlich auch gelernt sein. ;)
Gruß,
Philipp
Als ich für meine Abschlußprüfungen gelernt habe, habe ich mir für jeden Tag einen Zeitplan gemacht: 40 min arbeiten, 15 min Pause, und auch, welches Fach. Ich bin damit sehr effektiv und entspannt durch den Tag gekommen und konnte in den Pausen mit gutem Gewissen trödeln.
Ein Tip aus simplify hat bei unangenehmen Aufgaben ohne Zeitdruck geholfen: Frage dich, woran es gerade hapert und beseitige diesen Punkt. Also: nachhaken, wenn es an Fremden liegt; Material besorgen, wenn es fehlt; Zeit planen, wann es in den Alltag paßt usw. Das hat mir sehr geholfen, am Ball zu bleiben und mir bewußt zu machen, warum gewisse Dinge seit Monaten unbearbeitet auf meiner Liste stehenbleiben.
Ansonsten hilft mir leider auch externer Druck nicht, denn ich übe auch vor Konzerten nicht. Meine Lehrerin hat schon damals geschimpft, daß ich zu gut vom Blatt lese und zu wenig übe. Das hat sich leider nicht geändert.
Es gibt verschiedene Arbeitstypen, die Regelmäßigen und die Projektarbeiter. Auch das muß man anerkennen, denn man kann sich nicht beliebig lange zum anderen Arbeitsschema zwingen.
Hallo Kai,
Ich bin mir nicht sicher, ob die Untersuchung von Dan Ariely sonderlich repräsentativ ist. Er macht seine Untersuchungen in erster Linie mit Studenten an seiner Uni. Das sagt aus, dass die Ergebnisse hauptsächlich das Verhalten von Studenten einer amerikanischen Universität widerspiegelt. Es heißt noch lange nicht, das z. B. europäische Studenten sich genau so verhalten würden.
Dass externe Kontrolle produktiver macht, kennen die Meisten aus dem Berufsleben. Wenn der Chef sagt, dass die Arbeit bis zu einem bestimmten Termin fertig sein muss, das wird sie auch meist bis dahin fertig.
Ich frage mich nur, ob man sich selbst immer diesem Stress aussetzen sollte? Oft ist es besser, etwas mit Muße zu tun, ohne besondere Verpflichtungen.
Super Artikel! Leider bin ich genau einer dieser Menschen, die alles erst auf den letzten Drücker erledigen. Bei Klausuren u.ä. habe ich mir mittlerweile angewöhnt so zu tun, als würden sie schon einen Tag vorher anstehen. So bin ich (meistens) vernünftig vorbereitet und am Tag der Tage noch dazu ausgeschlafen. :)
Hierzu empfiehlt sich Mischel Walter mit der weltberühmten Forschung und dem gleichnamigen Buch „Der Marshmallow-Test“, welches über Belohnungsaufschub, Willensstärke und die entsprechenden Ergebnisse der langfristigen Studien berichtet. Ist zwar ein dicker Schinken, lohnt sich aber ;)