10 Tage ohne Sprechen, Schreiben und Lesen – ein Erfahrungsbericht

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Dies ist ein Gastbeitrag von Anja Winter. Anja lernte ich in Chiang Mai, Thailand kennen. Dort lebt sie seit acht Monaten und genießt das Leben. In einem Gespräch erwähnte sie einen 10-tägigen Meditationskurs, den sie vor einiger Zeit in Deutschland absolviert hatte. Die Regeln des Kurses: Nicht sprechen, nicht schreiben, nicht lesen. Warum sie sich das antat und weshalb sie es weiterempfiehlt, erfährst du in diesem Beitrag.

Wir Menschen denken, denken, denken. Unablässig. Es fällt uns schwer, unsere (oft negativen) Gedanken zu kontrollieren. Dadurch entstehen Ängste und Sorgen über Dinge, die meistens ohnehin nicht eintreten.

Meditation hilft uns im Moment zu leben. Wenn wir meditieren (also auf unseren Atem oder auf unseren Körper achten) leben wir im Moment ohne zu denken oder zu bewerten. Wenn wir im Moment leben, können sich keine Ängste und Sorgen breitmachen, denn diese sind an Zeit gebunden.

Bei myMONK findest du zahlreiche Argumente, die für Meditation sprechen.

Anja Winter in Thailand

Mein Einstieg in die Meditation

Ich kam zur Meditation, als ich mich vor einigen Jahren für den zehntägigen Vipassana-Meditationskurs entschied. Angefangen hatte alles, als meine Mutti den Kurs machte und mir davon berichtete. Ihr hatte es erstaunlich gut gefallen. Für mich selbst war Meditation etwas, wovon ich zwar schon oft gehört hatte, was mir aber im Grunde genommen noch sehr fremd erschien. Ich wusste, dass es etwas mit Entspannung und Stressreduzierung zu tun hatte, aber ich hatte keine Ahnung, was genau es eigentlich bedeutete.

Doch ich dachte mir, dass ich es einfach ausprobieren sollte – eine Erfahrung würde es auf jeden Fall wert sein. Zudem war ich gerade in der Abitur-Zeit und hatte sehr viel Stress in der Schule, sodass mir Meditation eine sinnvolle Sache erschien.

Spezielle Erwartungen an den Kurs hatte ich nicht, sondern erhoffte mir nur, dadurch etwas entspannter zu werden und mir mein jahrelanges Laster des Fingernägel-Kauens ein für alle mal abzugewöhnen.

Was ist Vipassana?

In der buddhistischen Tradition bedeutet Vipassana die „Einsicht in die wahre Natur der Realität“. Diese Realität beinhaltet die drei Daseinsmerkmale: Vergänglichkeit, Leiden, und die Realisierung von „Nicht-Selbst“.

Vipassana Meditation ist eine Methode um mithilfe der Achtsamkeit auf den Atem und die Gedanken einen Einblick in die wahre Natur der Dinge zu gewinnen.

In Deutschland befindet sich das Vipassana Zentrum in Triebel, einem kleinen Ort im Vogtland. Dort gibt es 10-tägige Kurse, für die man sich direkt auf der Website anmelden kann. Vipassana-Kurse werden traditionell auf Spendenbasis durchgeführt. Das heißt im Klartext: Als Teilnehmer bezahlt man nur soviel, wie man tatsächlich möchte.

Meine Erfahrung im Vipassana-Kurs

Mit der Meditation ist es wie bei so vielen Dingen im Leben: Man kann es nur wirklich begreifen, wenn man es selbst ausprobiert. Dennoch möchte ich über meine Erfahrungen berichten.

Das Meditationszentrum befindet sich abgelegen auf einem Berg inmitten grüner Natur. Dieses Umfeld ermöglicht den Teilnehmern zur Ruhe zu kommen und im Einklang mit der Natur zu leben.

Die 4-Mann-Zimmer sind schlicht gehalten, aber sehr sauber. Jeden Tag gibt es vegetarisches (sehr abwechslungsreiches!) Essen.

Der Ablauf ist jeden Tag der Gleiche und genau das war auch eine meiner größten Herausforderungen. Routine ist und war noch nie etwas für mich. Doch der Kurs ist streng strukturiert und als Teilnehmer sollte man sich schon weitestgehend an die Regeln halten, sonst bringt der Kurs nicht die erwünschten Ergebnisse.

Um 4 Uhr ertönt der Gong zum Aufstehen. Dies war für mich als Langschläferin eine weitere Quelle von Missmut. Danach fängt die erste Meditation an – welche von einigen Teilnehmern als „Schlafmeditation“ missverstanden wurde.

Insgesamt meditiert man ungefähr zehn Stunden am Tag – diese werden durch drei Mahlzeiten unterbrochen.

Jeden Abend gibt es einen Vortrag von Goenka – dem Gründer Vipassanas. Auf die Vorträge habe ich mich immer besonders gefreut, weil sie erstens halfen der Routine etwas zu entkommen und zweitens die Theorie hinter der Praxis (der Mediation) etwas beleuchteten.

Das „ewige Schweigen“: Geht das überhaupt?

Von den Regeln „nicht sprechen, nicht schreiben und nicht lesen“ ist mir überraschenderweise (für jeden der mich als „Quasselstrippe“ kennt) das „nicht Sprechen“ am leichtesten gefallen. Wohlgemerkt können Teilnehmer aber mit den Gurus oder den Helfern jederzeit sprechen, wenn es ein Problem gibt oder Fragen aufkommen.

Am Schwierigsten war für mich das „nicht Schreiben“. Beim Meditieren hatte ich permanent neue Gedanken und Ideen, die ich gern festhalten wollte. Aber nein: Ich versuchte doch die Regeln zu befolgen.

Zusammengefasst hatte in den zehn Tagen Höhen und Tiefen. Höhen meistens dann, wenn die Meditation gelang und ich bereits merkte wie ich mich langsam veränderte.

Tiefen, weil ich mich stellenweise langweilte, mein Körper manchmal etwas schmerzte (man soll im späteren Teil des Kurses eine Stunde komplett sitzen ohne sich zu bewegen!) und ich abends manchmal keinen Schlaf fand. Das Schlafproblem ist aber eigentlich ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass man weniger müde ist und die Meditation bereits anfängt zu wirken (wenn man meditiert, denkt man nicht und wenn man weniger denkt, ist man weniger müde).

Was mit der Kurs gebracht hat

Würde ich den Kurs weiterempfehlen? Ein ganz klares JA! Obwohl es einige Hürden zu überwinden galt, würde ich diesen Kurs ganz klar als eines der wichtigsten Ereignisse meines bisherigen Lebens bezeichnen. Warum?

Das Beste, was mir der Kurs gebracht hat, ist die Fähigkeit auf meine innere Stimme hören zu können. Nicht nur in kleinen Fragen des Alltags lenkt mich meine Stimme heute oft in die richtige Richtung, sondern auch in großen Fragen des Lebens wie „Was möchte ich später machen?“

Mein kleines Laster des Fingernägelkauens legte ich nach dem Kurs auch für ungefähr einen Monat ab, aber ich fing später wieder an als die Abitur-Prüfungen begannen. Dennoch war es für mich ein absolutes Highlight, einmal tatsächlich mit meinen Fingernägeln auf einem Tisch trommeln zu können.

Weitere Vorteile, die ich aus dem Kurs mitgenommen habe:

  • Ein verbessertes logisches Denkvermögen: Zuvor hatte ich konstante 11 bis 12 Punkte in Mathematik, nach dem Kurs waren es 14 bis 15 Punkte. Ich weiß nicht genau, ob die Meditation tatsächlich mein logisches Denkvermögen verbessert hat oder ob sie mir einfach half, entspannter zu bleiben und ruhig an Probleme heranzugehen.
  • Weniger Egoismus: Durch die Meditation spüre ich merklich mehr den Wunsch, anderen zu helfen und das nicht nur, um mich selbst in ein gutes Licht zu rücken, sondern, weil es mir wirklich um das Wohl anderer Menschen geht.
  • Verbesserte Fähigkeit im Moment zu leben: Wenn wir nur für ein paar Minuten unsere eigenen Gedanken beachten, werden wir schnell feststellen, wie schnell sie in die Vergangenheit oder in die Zukunft abdriften. Der Kurs hat mir geholfen mich auf den Moment konzentrieren zu können.

Kann man nicht einfach zu Hause meditieren?

Für mich war dieser Kurs der Einstieg in die Meditation und obwohl es manchmal anstrengend war und dem einen oder anderen langweilig wird, würde ich einen 10-Tageskurs in einem Meditationszentrum auf jeden Fall der Selbstaneignung vorziehen. Es ist zwar nichts falsch daran, sich Meditation selbst anzueignen, aber ein Kurs hat zwei entscheidende Vorteile:

  1. Du bist weit weg von jeder Ablenkung: Kein Internet, kein Lärm, kein Telefon, keine Arbeit, keine Verwandten oder Bekannten, die etwas von dir wollen. Somit kannst du dich 100% auf die Meditation konzentrieren. Wenn man zu Hause ist, kommt immer irgendetwas dazwischen.
  2. Der Kurs ist gut durchdacht und strukturiert: Goenka sagte, dass das absolute Minimum zum Erlernen der Meditation zehn Tage seien – erst dann kommt man zu einem Level, auf dem man die Meditation (das „Im-Moment-Leben“) jederzeit abrufen kann. Der Kurs ist so aufgebaut, dass er dich als Anfänger an die Hand nimmt und dir die Praxis beibringt und die Theorie erklärt.

Heute versuche ich immer noch täglich (meistens nach dem Aufstehen) zu meditieren. Manchmal schaffe ich es bis zu 20 Minuten, manchmal springe ich schon nach 10 Minuten wieder auf, weil mir etwas einfällt, das ich „unbedingt“ erledigen will.

Es ist nicht einfach, die Praxis nach dem Kurs für lange Zeit aufrecht zu erhalten. Doch wenn es nicht klappt, kann man jederzeit wieder einen Kurs besuchen. Inzwischen habe ich an dem Vipassana-Kurs schon zweimal teilgenommen und war zwei Wochen (ohne Schweigen) in einem thailändischen Kloster meditieren.

Praktische Tipps für den Vipassana-Kurs

  • Buche den Kurs zeitig, denn die Kurse sind sehr schnell belegt. Hier geht’s zur Website.
  • Nimm nur bequeme Kleidung mit. Keiner interessiert sich für dein Aussehen und du sitzt den Großteil des Tages.
  • Mach dir keine Sorgen, wenn die Meditation am Anfang nicht gleich gelingt. Einfach schön atmen und die Gedanken sanft auf den Atem zurücklenken, sobald sie wegwandern. Denke auch nicht zu sehr über die Theorie nach.

Wir danken Anja für diesen Gastbeitrag. Wenn du mehr von Anja lesen möchtest, besuche ihren Blog Ania de Alemania.

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