Was wir 60 Tage im Jahr tun oder: Warum wir so viel fernsehen

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Weißt du, womit du 2 Monate im Jahr verbringst? Nicht mit Schlafen. Mit Fernsehen!

Im Durchschnitt gucken wir rund 3,5 Stunden pro Tag in die Röhre. Wenn wir nur die über 14-Jährigen betrachten, sind es vier Stunden. Aufs Jahr gerechnet sind das 1.453 Stunden. Oder 60 Tage. 2 Monate. 

Seit 2010 nimmt die tägliche Dauer zwar leicht ab, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass wir auf Online-Serien, -Filme & Co. ausweichen oder unehrlichere Antworten geben.

In unserer Jugend trafen diese Zahlen auch auf uns zu. Patrick lag weit über dem genannten Durchschnitt. Heute sehen wir Fernsehen als Anti-Habit, eine Gewohnheit, die wir uns abtrainieren wollen. Du erfährst in diesem Beitrag, warum Fernsehen eine fest verankerte Gewohnheit ist und warum es uns sehr schwer fällt, den Anschluss abzumelden.

Was hält uns vor der Glotze?

Sind wir uns nicht schon lange einig, dass eigentlich „nichts kommt“? Ja, es gibt Lichtblicke, wenn ich an Joko und Klaas denke. Aber bei dem gewohnheitsmäßigen Fernsehen rede ich weniger von den aus meiner Sicht selten gewordenen, sehenswerten Shows. Ich denke vor allem an den täglichen automatisierten Fernsehkonsum. Wenn eigentlich nichts kommt, früh, nach der Arbeit und vorm Schlafengehen. Wieso schalten wir selbstverständlich den Fernseher ein? Lass uns dieses Hobby aus einer Gewohnheitsperspektive betrachten:

Fernsehen ist eine Gewohnheit

Gewohnheiten sind Abkürzungen unseres Gehirns, um uns das Leben zu erleichtern. Sie nehmen uns Entscheidungen ab. Unseren Vorfahren half das einst, denn erfolgreiche Techniken für die Jagd, das Sammeln und den Schutz der Höhle wurden zur Gewohnheit und sicherten das Überleben. Statt immer wieder überlegen und entscheiden zu müssen, gewöhnten sich die Menschen an, etwas zu tun oder zu lassen.

Heute brauchen wir kaum noch um unser Leben zu fürchten. Die Automatismen schleichen sich aber noch genau so ein – auch wenn sie uns nichts nützen.

Als Kinder waren wir fasziniert von den bunten, flimmernden Bildern. Seit der Schulzeit diente uns der Fernseher als Anlaufstelle, um zu entspannen (dazu gleich noch ein paar Worte). Wenn wir das oft genug so machen, bildet sich quasi ein Trampelpfad im Gehirn, dem wir immer wieder folgen. Wie auch immer wir zum Fernsehen kommen, wir gewöhnen uns dran. Wieso auch nicht? Irgendwann denken wir nicht mehr drüber nach, ob und was wir sehen wollen. Die Hand ist wie von selbst an der Fernbedienung und drückt aufs Knöpfchen.

„Entspannung“ oder: Wie wir körperliche und geistige Erschöpfung verwechseln

Die meisten Menschen denken, dass Fernsehen entspannt. Eine Studie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz hat jedoch herausgefunden, dass die Flimmerkiste genau das Gegenteil bewirkt. Wir fühlen uns nicht entspannt, sondern schuldig.

Der Grund dafür ist unbequem, aber wahr: Wir wissen, dass wir unsere Zeit besser nutzen könnten, ob nun um Aufgaben zu erledigen oder mit der Familie aktiv Zeit zu verbringen etc. Uns ist folglich bewusst, dass Fernsehen ein Symptom von „Aufschieberitis“ oder Prokrastination ist. Das gleiche gilt übrigens für Computerspiele. Dazu kommt wahrscheinlich noch das schlechte Gewissen wegen der leeren Chipstüte oder Schokoladenverpackung, die wir nach dem Fernsehabend entsorgen…

Wir wollen dir nicht vorschreiben, was du für deine Entspannung zu tun oder zu lassen hast. Nur du allein kannst beurteilen, was dir guttut. Es könnte aber sein, dass du seit Langem einfach nur glaubst bzw. hoffst, dass du dich durchs Fernsehen entspannst. Beobachte dich doch mal selbst, ob du dich nach einigen Stunden vorm Fernseher wirklich besser fühlst und sei ehrlich zu dir selbst!

Ich habe dieses Jahr zu Beginn meiner Auszeit viel ferngesehen und Serien geguckt. Ich hatte für nichts anderes Lust oder Kraft. So vergingen einige Wochen, in denen ich teilweise sieben oder acht Stunden fernsah oder Serien guckte. Ich stellte allerdings irgendwann fest, dass es mich nicht entspannte. Dass ich mich kein bisschen besser fühlte, sondern eher schlechter, wenn ich den Tag auf der Couch vorm Fernseher verbracht hatte.

Irgendwann bekam ich den Rat lieber zu lesen statt fernzusehen, denn ich sei ja vielleicht körperlich erschöpft, aber nicht geistig. Ein paar Buchempfehlungen von Patrick gaben mir noch den nötigen Anstoß, um mir einen eBook-Reader zu kaufen und loszulegen. Tatsächlich merkte ich dann, wie ich durch das Lesen innerlich ruhiger wurde. Außerdem inspirierten mich die Bücher und ich wurde das Gefühl los, nichts geschafft zu haben.

Entscheidungen abnehmen

Viele von uns haben den Wunsch: „Nimm mir die Entscheidung ab!“ Aus dem gleichen Grund kaufen wir das vorsortierte 3er-Set aus Tee, den fertigen Präsentkorb oder den Kaffee mit den meisten positiven Bewertungen. Wir wollen und können nicht jedes Mal alles filtern, sortieren, lesen, abwägen und entscheiden. Das Leben ist viel zu kompliziert mit all seinen kleinen (Was ziehe ich an?) und großen Entscheidungen (Ist es Zeit für ein Baby?).

Beim Zappen durch die Sender treffen wir zwar auch Entscheidungen, aber wenigstens erwartet uns schon ein limitiertes „Set von Entscheidungsalternativen“. Das ist leichter, als von 0 anzufangen und zu überlegen, was wir eigentlich gern sehen würden. Oder welche andere Beschäftigung uns interessieren würde. Wie wir sonst unsere Zeit verbringen könnten.

Fernsehen aus Gruppenzwang  Warum uns sozialer Druck beeinflusst

Wenn wir uns die eingangs genannten Zahlen ansehen, sehen wir, dass es die Abendunterhaltung Nummer 1 sein muss. Das haben wir schon in der Kindheit gelernt – durch Nachahmung oder „Lernen am Modell“. Sprich: Kinder beobachten z. B. ihre Eltern und lernen, dass Fernsehen offensichtlich ein fesselndes Hobby ist, das es jeden Tag auszuüben gilt.

Selbst, wenn wir später andere Vorlieben haben, hält uns der Gruppenzwang gefangen. Du hast vielleicht Lust etwas anderes zu machen, aber dein Partner, deine Familie oder deine Freunde überzeugen dich doch zu einem Fernsehabend? Wenn Serien & Co. ein Gesprächsthema sind, willst du natürlich auch mitreden können. Oder sie möchten auch etwas anderes machen, denken aber, dass du unbedingt fernsehen willst?

Häufig ist der Griff zur Fernbedienung keine bewusste Entscheidung, sondern wir folgen nur unserer Gewohnheit oder der unserer Mitmenschen. Doch Gewohnheiten können wir ändern.

Immerhin 16 Prozent aller Deutschen nahmen sich für 2014 vor weniger fernzusehen. Vielleicht bist du eine/r von ihnen. Hast du es durchgezogen? Aber was heißt überhaupt „weniger“?

Ein leichtfertiger Rat wäre ja, den Fernsehanschluss abzumelden. Doch so ein großer Schritt schreckt dich und viele andere vielleicht ab. Ich kann dir auch sagen warum.

Warum du deinen Anschluss nicht abmeldest

  1. Optionen offen halten: Wir mögen es, uns so lange wie möglich alle Türen offen zu halten. Experimente haben bewiesen, dass wir es so lange wie möglich hinausschieben, eine Option endgültig abzuschreiben. Wir schieben es auf uns zu trennen oder das Auto zu verkaufen. Irgendwann könnten wir es sonst bereuen. Erstmal abwarten.
  2. „Du hast keinen Fernseher?!“: Wie bereits angesprochen, kann uns auch der soziale Druck davon abhalten, es durchzuziehen und den Fernseher loszuwerden.
  3. Es macht Mühe: Einen Anschluss abzumelden bedeutet Aufwand. Auch wenn es nur ein Telefonat, eine Email, ein Fax oder einen Brief erfordert. Es scheitert schon am Ordner, den wir rauskramen müssen.

Wie gesagt: Du kannst tun und lassen, was du willst. Wir können nur darüber schreiben, was für uns funktioniert und uns guttut. Wenig Fernsehen lässt dir Zeit für Hobbies, die dich wirklich entspannen, wie Lesen (auch wenn dir das im ersten Moment anstrengender erscheint).

Im zweiten Teil der Fernseh-Artikelreihe erfährst du, wie du die Gewohnheit Fernsehen einschränkst oder ganz loswirst – je nachdem, was du möchtest.

Warum siehst du fern? Und was zeigt dir deine Selbstbeobachtung? Wir sind gespannt auf deinen Kommentar!


Foto: Frau mit Fernbedienung von Shutterstock

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