Die Rolle glücklicher Zufälle in meinem Leben

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Neulich las ich einen Artikel über Glück. Um genauer zu sein, über glückliche Zufälle und deren Einfluss auf unseren Erfolg im Leben. Der Autor behauptete, Glück würde eine größere Rolle spielen, als viele Menschen bereit sind zuzugeben. Insbesondere erfolgreiche Menschen. Diese neigten häufig dazu, die Bedeutung glücklicher Zufälle herunterzuspielen. Ihrer Meinung nach, haben sie sich ihren Status hart erarbeitet. Im Gegensatz zu anderen Menschen, die sich einfach nicht genug anstrengen.

Im ersten Moment ist es nicht ganz leicht mir einzugestehen, dass viele Ereignisse in meinem Leben auf glückliche Umstände zurückzuführen sind. Die Selbsthilfeliteratur, die ich oft gelesen habe, lehrte mich schließlich, dass ich mein Schicksal selbst in der Hand hätte. In gewisser Weise stehen wir dafür auch mit diesem Blog. Wir berichten häufig über Fortschritte in unserer gesunden Lebensweise und schreiben diese einem selbst gewählten Verhalten zu. Von Glück ist dabei nicht die Rede.

Der bereits erwähnte Artikel inspirierte mich jedoch dazu, mal genauer nachzudenken, wie sehr mein Leben durch glückliche Zufälle beeinflusst wird. Ich brauchte nicht lange, um zu verstehen, welche Rolle das Glück in meinem Lebenslauf spielt. Es entschied z. B. darüber, wer meine Freunde sind. Während meiner Schulzeit war ich fast ausschließlich mit Jungs befreundet, die mit der gleichen S-Bahn nach Hause fuhren. So einfach war das. Heute bin ich gut mit Jasmin befreundet, die vor Jahren in meiner Agentur arbeitete – ohne, dass ich sie selbst eingestellt hatte. Nach meinem Urlaub war sie plötzlich da.

Insbesondere in meiner beruflichen Karriere ermöglichten mir viele Zufälle das Leben, das ich heute führe. Die glückliche Fügung begann schon mit meiner Geburt in einem der reichsten und sichersten Länder der Welt. Okay, ich wurde in der DDR geboren. Aber sieben Jahre später war das Glück auf meiner Seite, als die Mauer fiel. Zudem wuchs ich in einer Familie auf, in der es normal war, aufs Gymnasium zu gehen und anschließend zu studieren.

Gegen Ende meines Studiums las ich zufällig einen Artikel über die Firma Spreadshirt. „Da bewirbst du dich mal“, dachte ich mir. Es war meine einzige Bewerbung bei einem Startup. Alle anderen schrieb ich an Konzerne. Aus unerfindlichen Gründen bekam ich den Job bei Spreadshirt, obwohl ich keine Vorkenntnisse in der Materie hatte und kein cooler Startup-Typ war. Ich begann dort im Affiliate Marketing zu arbeiten. Noch an meinem ersten Arbeitstag hatte ich keine Ahnung, worum es sich dabei handelt.

Kurz darauf hatte ich Affiliate Marketing verstanden und baute in meiner Freizeit eigene Websites. Es dauerte nur ein paar Monate, bis das Nebeneinkommen mein Gehalt um ein Vielfaches überstieg. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Heute ließe sich dieser Erfolg nicht mehr reproduzieren. Ich wüsste selbst nicht, wie es gehen sollte. Was ich damals machte, gibt es in dieser Form nicht mehr. Das Internet hat sich weiterentwickelt.

Obwohl es nebenher gut lief, blieb ich noch eine Weile bei Spreadshirt. Dort wurde ich bald von meiner eigentlichen Tätigkeit abgezogen. Ich sollte mich fortan um die Google-Anzeigen kümmern, obwohl ich dafür nicht eingestellt worden war. Es war der Job einer Kollegin, die sich mit den großen Zahlen unwohl fühlte. Ich mochte große Zahlen, also übernahm ich das. Ein Jahr später baute ich auf Grundlage dieser Erfahrungen meine Agentur auf. Sie lebte in den ersten Jahren praktisch nur von Google-Anzeigen.

Als ich zusammen mit einer Spreadshirt-Kollegin die Agentur gründete, hatten wir Angst, unserem Chef davon zu erzählen. Er wäre bestimmt nicht begeistert, dass wir Spreadshirt verlassen wollten. Doch es kam anders: Er stieg gleich mit ein und verschaffte uns die ersten drei Kunden: mymuesli, Dawanda und Mister Spex. Ohne diese glückliche Fügung, hätten wir mit Hausmeister Krause als erstem Kunden beginnen müssen. Es hätte Jahre gedauert, auf ein höheres Niveau zu gelangen.

Nach vier Jahren zerstritt ich mich mit meiner Geschäftspartnerin. Wir passten nicht mehr zusammen. Deshalb entschied ich mich das Unternehmen zu verlassen. Meine Anteile an der Firma wollte ich behalten. Ich erwartete jedoch nicht, sie jemals versilbern zu können. Einige Wochen später meldete sich ein potentieller Käufer, der auch noch einen guten Preis bezahlen wollte. Zwar sollte damit später noch einiger Ärger verbunden sein, doch letztendlich ging der Deal über die Bühne. Glück gehabt!

Anschließend ging ich auf Weltreise. Ich reiste allein und hatte dadurch unterwegs viel Zeit, die ich in einen Reiseblog investierte. Wieder war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Bis dahin hatte es in Deutschland keine Reiseblogkultur gegeben, doch seit 2013 schossen die Blogs wie Pilze aus dem Boden und einige Wenige setzten sich durch. Die Zeit war auch ideal, um eigene Bücher zu veröffentlichen. Es gab erste Tools, mit denen ich sie leicht auf meiner Website verkaufen konnte. Zudem brachte amazon nützliche Dienstleistungen für Selfpublisher auf den Markt. So konnte ich Tausende Kopien meiner Bücher verkaufen – ohne Verlag. Ein paar Jahre eher hätte das noch nicht funktioniert. Ein paar Jahre später wäre es für manche Themen zu spät gewesen.

Mein Lebensweg besteht aus etlichen solcher Wendungen, die alle für sich genommen unbedeutend erscheinen. Aber wären nur ein oder zwei davon anders verlaufen, würde ich heute ein anderes Leben führen.

Allerdings glaube ich, dass ich mein Glück bis zu einem gewissen Grad beeinflussen konnte. Der Rahmen war seit meiner Geburt vorgegeben, aber innerhalb dieses Rahmens konnte ich mein Glück erzwingen – ohne jedoch zu wissen, welches konkrete Ergebnis dabei am Ende herauskommen würde. Das folgende Verhalten half mir dabei:

1. Ich war offen: Ich erkannte Chancen, die mir auf dem Silbertablett serviert wurden, und ergriff einige Möglichkeiten mich zu verändern. Der Job bei Spreadshirt war ganz anders als alles, was ich bis dahin gemacht hatte. Aber das Unternehmen und die Branche wirkten spannend. Später erkannte ich die Chancen im Affiliate Marketing, dann im Agenturgeschäft, dann beim Bloggen.

2. Ich ging (kleine) Risiken ein: Ich mag Risiken nicht besonders, deshalb gehe ich nur kleine kalkulierte Risiken ein. Aber diese sind notwendig. Wer keinen Lottoschein kauft, kann schließlich nicht im Lotto gewinnen! Der Job bei Spreadshirt war ein Risiko, denn er war extrem schlecht bezahlt und ich befürchtete, nicht in die Unternehmenskultur zu passen. Später ging ich in die Selbständigkeit und am Ende meiner Agenturzeit verließ ich das Unternehmen trotz fehlender Alternativen. Es waren Risiken, aber sie wirkten überschaubar.

3. Ich hatte positive Erwartungen: Das Leben ist oft eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn ich etwas Positives erwarte, tritt es mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein, weil ich es (unbewusst) stärker erzwinge. Klingt nach Hokus-Pokus, funktioniert aber. Zumindest beruflich hatte ich meistens positive Erwartungen und wahrscheinlich nahmen sie mit der Zeit zu, da ich mit jedem Erfolg zuversichtlicher wurde, dass sich alles irgendwie ergeben würde.

4. Ich war fleißig: Von nichts kommt natürlich nichts. Ich habe nicht auf glückliche Fügungen gewartet, sondern viel Aufwand investiert. Neben meinem Job pflegte ich Affiliate-Websites, später baute ich eine Agentur auf, die sich erst nach Jahren bezahlt machte. Der Zufall kam von ganz allein. Heute leiste ich viel Vorarbeit für meine Blogs, in der Erwartung, dass sich auch das irgendwann lohnt.

Im Rückblick ist es leicht zu sagen: „Ich bin erfolgreich, weil ich hart gearbeitet habe.“ Doch andere Menschen arbeiten ebenfalls hart. Fleiß allein reicht nicht aus. Unser Leben enthält viele glückliche Fügungen, die wir unter den Teppich kehren, weil sie so unbedeutend erscheinen und, weil sie uns die Kontrolle über das eigene Schicksal entziehen.

Menschen, die das verstehen, sind für gewöhnlich bescheidener und empfinden mehr Empathie für andere, die nicht vom Glück verfolgt werden. Sie geben der Gesellschaft mehr zurück, denn sie verstecken sich nicht hinter der Ausrede, jeder sei seines eigenen Glückes Schmied. Eine solche Demut schadet uns allen ganz sicher nicht.


Foto: Kleeblatt von Shutterstock

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