„zul. online heute um 06:02 Uhr“ – Digitale Generation im Stress

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„Digitale Generation“. So nennt man uns Internet-Junkies. Wir sind ständig online. Mit dem Laptop, Tablet, Smartphone und jetzt auch mit unserer Uhr.

Wir wissen nicht viel, sondern schauen schnell bei Wikipedia nach. Wir lesen nicht, wir scannen. Wir sind „Überflieger“.

Kein Wunder, dass wir uns ständig gestresst fühlen. Wir sind mustergültige Burnout-Kandidaten aufgrund der selbstinduzierten Informationsüberflutung. Wir sind selbst schuld daran.

Das glaubst du nicht? Du denkst, es liegt alles an den Medien, deinem Job – an allen anderen außer dir selbst? Lass mich uns doch mal ganz ungeniert den Spiegel vorhalten…

Das Anfänger-Stadium

1. Handy? Check!

Wir haben unser Handy immer und überall dabei, weshalb es uns auch ständig runterfällt und wir uns regelmäßig splittrige „Spinnen-Apps“ einfangen… Es liegt neben uns oder auf dem Schoß: im Bett, auf Toilette, in der Wanne, beim Meeting, bei unserer Oma, auch wenn wir dort gar keinen Empfang haben. Wir würden es uns auch in den Unterarm implantieren lassen, wenn es schon Mode wäre.

2. Push it

Wir aktivieren jede Ton- und Push-Benachrichtigung, die unser Handy hergibt. Neuigkeiten wie Eilmeldungen und Statusupdates warten im Volltext in der Mitteilungszentrale auf unsere Aufmerksamkeit.

Trotzdem checken wir sicherheitshalber manuell alle Apps, wenn uns das Gefühl beschleicht, die Push-Benachrichtigungen sind ins Stocken geraten. Dazu gehören Emails in der App und im Browser (sicher ist sicher!), Whatsapp, Facebook, andere Social-Media-Plattformen, Promiflash und Spiegel Online.

3. Ring ring

Jeder Kontakt hat einen eigenen Klingelton und ein individuelles Vibrationsmuster. Das macht Mühe, aber es lohnt sich!

SMS-Töne wiederholen sich, wenn wir die Nachricht noch nicht gelesen haben. Das ist praktisch, falls wir vergessen, minütlich auf unser Handy zu schauen.

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4. You’ve got mail

Wir richten uns für jeden Zweck ein separates Email-Postfach bei unterschiedlichen Providern ein. So behalten wir den Überblick. Falls wir überwacht werden, steht wenigstens nicht alles an einer Stelle.

Emails werden in Echtzeit (IMAP!) abgerufen. Über eine neue Email benachrichtigt uns unser Laptop sofort mit einem Fensterchen, das in uns einen unwillkürlichen Klickreflex auslöst.

Natürlich synchronisieren wir die Emails auf allen mobilen Geräten. Bei einer neuen Email wird jedes Mal es ein akustisches Feuerwerk gezündet!

Um ein lustiges Email-Ping-Pong anzuzetteln, antworten wir auf eine neue Email sofort mit einem Einzeiler. Dann schauen wir minütlich, ob schon eine Antwort kam. Wenn ja, schießen wir sofort eine Nachricht zurück. Wir verwenden dazu eines dieser neckischen, roten Ausrufezeichen neben einem Email-Betreff.

Achso: Unsere Emails lassen wir generell im Posteingang. Das spart Zeit. Wenn ein Posteingang ungemütlich voll wird, schauen wir nicht mehr rein und eröffnen für den Zweck ein neues Postfach.

5. Neuer Ordner (1)

Wir speichern Dateien grundsätzlich auf dem Desktop, damit wir sie schnell wiederfinden. Wir nehmen dafür den voreingestellten, kryptischen Dateinamen oder speichern die Dateien unter ständig wechselndem Namen.

Erscheint die Warnmeldung, dass schon eine Datei mit diesen Namen existiert, wählen wir den vorgeschlagenen Dateinamen mit (1) als Zusatz.

Warnt uns der Laptop oder PC, dass der vorhandene Speicherplatz erschöpft ist, klicken wir willkürlich einen anderen Speicherort an oder nehmen einen ggf. einen herumliegenden Werbegeschenk-USB-Stick, der in Kürze für immer verschollen sein wird.

6. Digitale Trampelpfade

Wir speichern alle Social-Media-Portale und jede andere besuchte Website als Favorit in der Lesezeichenleiste ab. So können wir mühelos alle Seiten in Ruhe anklicken und wieder von vorn anfangen, wenn wir einmal durch sind.

Damit wir unsere Klickroutine auf allen Bildschirmen fortsetzen können, synchronisieren wir die Lesezeichen mit allen Geräten.

7. Passwort Pssst

Wir legen auf jeder Seite einen separaten Account an mit einer eigens dafür eingerichteten Email-Adresse und einem vollständigen Profil. Das Passwort merken wir uns. Es zu speichern wäre zu gefährlich, schließlich liest die NSA mit!

8. Freunde sind wichtig

Wir schauen mindestens halbstündlich in allen Social-Media-Plattformen vorbei. Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest, YouTube, LinkedIn und Tumblr sind Pflicht. Dafür haben wir jeweils eine Email-Adresse und alle Plattformen als App und Lesezeichen auf unseren Geräten.

Wir erweitern anhand der „vorgeschlagenen Kontakte“ regelmäßig unseren Freundeskreis, schließlich sind Freunde wichtig.

Wir aktualisieren unsere Profile mindestens täglich. Wir posten dazu mehrere Statusupdates mit illustrierenden Fotos und checken danach mindestens minütlich neue Likes und Kommentare.

Wir schreiben Nachrichten an die Personen, die unsere Fotos noch nicht geliked haben bzw. von denen wir seit gestern nichts gehört haben!

Kleine (1)en am oberen Rand unseres Browserfensters und kleine rote 1en an unseren Apps lösen Unruhe und einen sofortigen Greif- bzw. Klickreflex in uns aus.

9. „zul. online heute um 06:02 Uhr“

Wir wechseln unser Profilbild samt Status wie Unterhosen, schließlich sind wir keine Langweiler. Da unsere Freunde das auch tun, checken wir regelmäßig ihre Statusupdates und Profilbilder und wann sie zuletzt online waren. Wenn wir auf eine Antwort warten, checken wir, ob er oder sie seit unserer Nachricht nicht schon online war und schicken sicherheitshalber noch drei Nachrichten hinterher.

Wir checken, ob gemeinsame Freunde online sind bzw. wann sie zuletzt online waren und fragen sie, ob und wann sie etwas von der Person XY gehört haben.

Damit uns nicht langweilig wird, erstellen wir mindestens zehn Gruppenchats, in denen wir mit unseren Freunden witzige Videos und Fotos hin- und herschicken. Wenn da nix los ist, schieben wir die Diskussion immer wieder an!

Für Fortgeschrittene

10. Bad news are good news

Wir scannen stündlich mindestens fünf Newsportale, um ein ausgewogenes Bild der weltweiten Nachrichtenlage zu erhalten. Zwar überfliegen wir auf Bild.de, Spiegel Online, Focus, n-tv und diversen Klatschportalen nur die Überschriften, fühlen uns aber gut informiert.

Auch wenn uns das Thema nicht interessiert, abonnieren wir jeden Newsletter mit einer jeweils extra eingerichteten Email-Adresse. Vielleicht ist irgendwann ein Gutscheincode dabei.

11. Der Trend geht zum Screening

Beim Essen flimmert jeder im Haushalt existierende Bildschirm. Wir sehen fern, balancieren den Laptop auf dem Schoß, schreiben parallel in drei Whatsapp-Chats auf dem Handy und werfen ab und zu einen Blick auf unser Tablet mit dem Facebook-Stream. So haben wir alles im Blick.

Abends nutzen wir alle Screens bis zur letzten Minute vorm Einschlafen. Dafür checken wir nochmals sorgfältig alle Social-Media-Portale, Emails, SMS, Whatsapp, Nachrichten, Promi-News, das Wetter, unseren Kalender und wer bei Skype online ist.

Das Bonus-Level

12. Alles nur ein Spiel?

Wir haben immer noch sehr viel Freizeit. Um das Problem zu lösen, knöpfen wir uns Online-Spiele vor. Erstmal schauen wir anderen Spielern auf YouTube zu. Kurz darauf sind wir Feuer und Flamme.

Wir melden uns bei verschiedenen Online-Games mit einer eigenen Email-Adresse an und vertiefen uns langfristig in einer Parallelwelt mit unseren Mitspielern und Gegnern. Wir trainieren ernsthaft und nehmen an nächtlichen Online-Turnieren teil. Wir sagen alle Termine ab. Das ist schließlich kein Spaß.

Wir bestellen Essen ausschließlich online und verdunkeln die Fenster, um uns voll und ganz zu konzentrieren. Wir lassen uns auch nicht irritieren, wenn jemand laut gegen die Tür donnert und „Polizei!!“ ruft.


Jetzt mal im Ernst: In wie vielen Punkten erkennst du dich wieder? Auch wenn ich etwas übertrieben habe, sind wir nicht so weit davon entfernt.

Bei Healthy Habits geht es uns auch um mentale Gesundheit. Daher wirst du hier in Kürzte etwas über „digital detox“ lesen. Dabei geht es um den temporären Verzicht auf sämtliche Bildschirme und Strategien gegen Ablenkung.

Bis dahin raten wir dir: Beobachte deinen Medienkonsum in den nächsten Stunden und Tagen! Mach dir bewusst, wie handy- und internetabhängig du bist. Zähme dein Handy: lass es auch mal zu Hause und zähme deine Push-Benachrichtigungen! Es wird dir gut tun.

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Foto: Digitale Welt von Shutterstock

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